Seeligstadt Chronik Gebäude Erbgericht

Alte Ansicht vom Erbgericht in Seeligstadt, um 1910, Postkarte

Bild: Seeligstadt Sachsen Erbgericht
Seeligstadt Sachsen Erbgericht Postkarte 1910
Bild: Seeligstadt Erbgericht Großharthau Sachsen
Seeligstadt Erbgericht Bild: HV

Das Lehnrichtergut-Erblehngericht, später Erbgericht Seeligstadt und deren Besitzer, sowie die Lehnrichter zu Seeligstadt: alte Hausnummer 19

In den Dörfern der Oberlausitz hatte neben der Kirche, der Schule, der Mühle auch das Erbgericht eine besondere Bedeutung. Die historische Betrachtung des Erbgerichts ist deshalb auch zugleich Orts- und Heimatgeschichte. Deshalb reizte mich der Versuch, mithilfe von alten Akten, Urkunden und den Kirchenbüchern Licht in das Dunkel altersgrauer Vorzeit zu bringen. In der Regel übte der sogenannte „Lehnrichter“ im Ort die niedere Gerichtsbarkeit aus. Dafür war er von Abgaben, Zins und Diensten befreit und in späterer Zeit stand ihm auch das Schankrecht zu.
Meistens dort, wo der Lehnrichter wohnte, wurde vom Lehnrichtergut gesprochen. Da das Lehnrichteramt erblich war, wurde aus dem „Lehnrichtergut“ das „Erblehngericht“ und schließlich der Name „Erbgericht“, der bis heute erhalten geblieben ist.

Für Seeligstadt begann die Geschichte des heutigen Erbgerichts gemäß einer alten Chronik zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Vorab ist zu erwähnen, dass das alte Lehnrichtergut die Nr. 13 (heute Mai) war.

Das Erbgericht wird als 1 1/2 Hufengut bezeichnet. So steht nun in dieser Chronik "bereits 09.07.1509 Montag nach Kiliani ward Nickel Hering mit dem hiesigen Gerichte vom Stolpen aus belehnt. Danach folgen; „16.11.1519 Mittwoch nach Martini Paul Merten, Urban und Matz Hering die Lehn über das Gericht all hier von Stolpen erhalten“. Dann „04.10.1525 am Tage Francisci ist Thomas Weber damit beliehen worden, dessen Hausfrau zugleich ihr Leibgedinge bekam“, „29.07.1557 Freytag nach Jacobi reichte Bischof Johann IX. Urban Weber zu Lehn“.

Letzterer wird auch als der Richter von Seeligstadt genannt.

1559 Gregor Boden, 1618 ist ein Matz bzw. Matthes Boden (Taufe am 19.01. 1597 Großröhrsdorf +Jan.1652 Großröhrsdorf, war verh. 1624 Großröhrsdorf, mit Anna geb. Kleinstück *Okt.1601) wird als erster Erblehnrichter erwähnt.

Am 10.05.1652 wird das Erbgericht von seinem Sohn Johann (Hans) Boden für 900 Gulden gekauft, er wird als Richter, aber auch als Erb- und Lehnrichter bezeichnet und kauft auch für 170 Gulden Acker am 25.08.1663 dazu.

Dann nach 1682 besitzt das Erbgericht seine Witwe Anna Boden geb. Paul aus Seeligstadt, dann 1695 ist ein Matthes Boden genannt, am 10.05.1718 kauft Hannß (Johann) Boden das Grundstück für 1500 Gulden, er verstirbt ohne Manneserben 1729. Seine Frau ist Anna Dorothea Boden, 12.03.1729 folgt Johann Michael Eysoldt der ebenfalls für 1500 Gulden kauft, vermutlich von den Erben.

Bild: Seeligstadt Kändlergiebel 2017
Seeligstadt Kändlergiebel 2017

Kändlergiebel 2017

am Nebengebäude des Erbgerichts

(Kändler war ein Zeitgenosse Pöppelmanns)


Am 15.10.1731 erhält der Erbauer des Dresdner Zwingers, Matthias Daniel Pöppelmann durch Übertragung Erbgut Alodium, vermutlich vom Kurfürst August dem Starken das Erbgericht, der Lehnschein ist am 15.10.1732 datiert, ein Kaufdatum existiert nicht. So ist zu vermuten, dass der Kurfürst August der Starke vorher im Besitz des Erbgerichts war oder ein Vorrecht hatte.

M. Pöppelmann war bis zum Tode 1736 Besitzer, die Erben von Pöppelmann verkaufen das Erbgericht am 17.09.1737 an den hiesigen königl.-sächs. Oberförster Johann Friedrich Ziegenbalg (*19.12.1692 Dresden +18.03. 1779 Seeligstadt) und dessen Sohn Christlieb (*11.12.1722 Seeligstadt +1750) für 2100 Taler, der aber starb bereits 1750 als Theologiestudent in Wittenberg.

Die Frau von Ziegenbalg Anna Sophie geb. Schumann (*1701 +07.01.1756 Seeligstadt) erbt das Erbgericht und verpachtet es für 3 Jahre ab 01.05.1748 für 100 Taler an einen Wehner Johann (Hannß) der das Richteramt in Seeligstadt bekleidet.

Am 01.03.1752 verkauft sie für 2200 Taler an einen königlich-sächsischen Steuereinnehmer zu Stolpen Johann Gottfried Barthel, dieser verpachtet es wiederum an einen Bauernsohn Hauffe Johann aus Großröhrsdorf. Für 2550 Taler verkauft Barthel an Daniel Stäglich am 04.05.1759. Er wird in einem Pateneintrag seiner Frau Rosina vom 03.07.1760 auch als Erb- und Lehnrichter bezeichnet.

Der wiederum verkauft schon am 02.10.1760 an den Bauern und bisherigen Pachtrichter aus Fischbach Gregor Eysoldt (*25.04.1724 Seeligstadt +04.06.1800, verheiratet mit Anna Rosina geb. Nizsche aus Geißmannsdorf *um 1727) für 2300 Taler. Dieser wird als Erb- und Lehnrichter bezeichnet und auch erstmalig als Schenk- und Gastwirt.

1763 wird an einen Johann George Barthel verpachtet. Der Sohn von Gregor Johann George Eysoldt (*26.08.1752 +21.03.1817 verheiratet mit Anna Dorothea geb. Körner aus Hauswalde, *1758 +29.04.1831 Seeligstadt) kauft für 2100 Taler am 07.01.1771.
Dieser verpachtet wiederum 6 Jahre lang für je 100 Taler an einen Kühne Johann Christoph. Johann George Rußig, vermutlich aus Rennersdorf kommend, kauft vor 1784 das Erbgericht. Er wird 1799 als Erb- und Lehnrichter bezeichnet. Sein Sohn Johann Christian Rußig (*um 1740), bisher Vicerichter in Rennersdorf kauft am 04.08.1787 für 2000 Taler das Erbgericht und ist bis zum Tode am 04.06.1802 Erb- und Lehnrichter. Sein Sohn Johann Gottlieb Rußig (*um 1773 Seeligstadt +08.01. 1837 Seeligstadt, verh. 24.02.1803 Seeligstadt, mit Johanna Rosina Eysoldt *um 1780), vermutlich eine Tochter von George Eysoldt, kauft am 04.06.1802 für 3300 Taler das Erbgericht.

Um 1822 ist er als Erb- und Lehnrichter, um 1830 als Ortsrichter von Seeligstadt bezeichnet. Sein Sohn wiederum Johann Carl Gottlieb Rußig kauft das Lehngericht 1829 für 6000 Taler. Nach dem Tode also nach 08.01.1837 kauft ein Schankwirt Johann Gottlieb Huste aus Frankental das Erb- und Lehngericht und wird auch Lehnrichter im Ort, wohnt aber in der Nr. 13 (heute Mai), dem alten Lehnrichtergut. Er stirbt vermutlich 1860 und entgegen der alten Chronik, war er nicht der letzte Ortsrichter, sondern sein Sohn Karl. Dann am 14.11.1843 kauft sein Sohn Karl Gottlieb Huste (noch in Frankenthal geboren, verheiratet dort 1842 mit Johanne Caroline Huste) für 6000 Taler, wird als Lehnrichter und Besitzer des Erbgerichts bezeichnet und verpachtet das Erbgericht 1855. In einem alten Pacht-Contract steht „Erblehnrichter zu Seeligstadt Karl Gottlieb Huste, als Verpächter und Heinrich Wilhelm Senf, als Pächter ist mit heutigem Tage 17.04.1855-17.04.1861 ein Pachtcontract geschlossen worden, die auf seinen Erblehngerichte allhier bestandenen Schank, Schlacht- und Gasthofsberechtigkeit in seinem neu restaurierten Hauptgebäude des Erblehngerichts“. 1867 verkauft er Land und einen Steinbruch, das sogenannte Kiesloch am Ortsgrund an die Gemeinde und stirbt am 09.03.1871.
Ab ca. 1867 besitzt ein Johann Gottfried Räbiger das Erbgericht, er verschuldet sich. Am 12.07.1870 ersteigern die Fabrikanten Florian Julius Schöne und Gottfried Bruno Schöne aus Großröhrsdorf das Erbgericht infolge Verschuldung.

Diese verpachten dann zunächst an Carl August Zieschang (*1833), jedenfalls ist er als Besitzer 1881 eingetragen und hat es gerade gekauft als dieses beim großen Brand am 19.7.1881 abbrennt. Beim Brand des Erbgerichts kommen 2 Feuerwehrleute ums Leben als die Deckenstütze in der Mitte der Gaststube einstürzt.

Wohl aus Gram darüber stirbt Herr Carl August Zieschang am 13.11.1881.

Ältestes Schriftstück

vom Erbgericht von 1843 von 1843

Bild: Seeligstadt Erbgericht Großharthau Sachsen
Seeligstadt Erbgericht Quelle: HV

 

 

 

 

 

 Jetziges Gebäude erbaut 1881

Bild: Seeligstadt Sachsen Erbgricht
Seeligstadt Ansicht Erbegricht 1895

Die Witwe von Carl August Zieschang Emilia Charlotte Zieschang geb. Gebauer 

(* 26.12.1836) lässt das Erbgericht wie wir es heute kennen aufbauen.


 

Hierbei wurden die Gebäude etwas weiter westlich versetzt und die Straße, die früher durch den Hof des Anwesens führte, begradigt und sie verschuldet sich dabei sehr. Am 17.02.1882 ist sie als Eigentümerin im Grundsteuerkataster eingetragen. Sie heiratet nochmal am 15.02.1887 einen Herrn Fritzsche und stirbt am 21.04. 1892. Der Schwiegersohn Otto Gottwald Wustmann (*13.05.1868) aus Schmiedefeld kauft am 11.02. 1892 das mit 30.000 Mark verschuldete Erbgericht stirbt, aber 10 Jahre später, am 01.10.1902 durch Selbstmord. Nach 5-jährigen Erbformalitäten wird seine Witwe 1907 am 14.06. Anna Bertha Wustmann geb. Zieschang (*02.05.1868 +16.02.1953) Besitzerin des Erbgerichts. Sie lässt die heutige Saalbühne, statt der vorhandenen Galerie einbauen und um 1911 auch den nördlichen Saalanbau errichten. Sohn Paul Wustmann (*30.09.1890 Schmiedefeld, verheirate mit Helene geb. Schütze, *17.08.1892 Arnsdorf) übernimmt am 24.07.1942 das Erbgericht. 1963 geht das Erbgericht nach dem Tode von Paul Wustmann am 28.03.1963 in eine Erbgemeinschaft Wustmann über (Gottfried Wustmann, Günter Wustmann, Maja Rüdiger geb. Wustmann und seine 2. Frau Wella Wustmann).

Im Frühjahr 1976 übergibt die Erbgemeinschaft, nach Verhandlungen mit dem Kreisrat und der Gemeinde, das Erbgericht in Form eines Tausch- und Ausgleichsvertrages mit dem Gemeindeamt auf der Mittelgasse.

Seitdem gehört das Erbgericht der Gemeinde Seeligstadt, die dann dort das Gemeindeamt einrichtet und auch sonst wurde und wird es bis heute in vielfältiger weise genutzt zum Wohle des ganzen Ortes.

Bild: Seeligstadt Kändlerausstellung 2006
Seeligstadt Erbgericht Kändlerausstellung 2006

Anhang


Die ehemaligen heruntergekommenen Gasträume werden in Pacht von Rosel Burkhardt von ca. 1976-Mitte 1977 betrieben. Im Jahre 1978, Juni/Juli übernimmt Lissy Krebs (*10.06.1925, +10.07.1993) aufopferungsvoll bis 1991 die Gasträume in Pacht. Danach wird die Gaststätte von kurzzeitig ständig wechselnden Pachtbetreibern bewirtschaftet.

Von 2003 an werden die Gasträume von Liane Liße bewirtschaftet. Vorher wird die Gaststube geschmackvoll vorgerichtet und auch neu eingerichtet. Eine Edelstahlküche wird entsprechend den neuen Anforderungen eingebaut.
In vielfältiger Weise versucht sie den Anforderungen des Marktes standzuhalten, doch durch die geringe Auslastung gibt sie 2010 auf und seitdem steht die Gaststätte leer.
Ab 1979 erfolgen immer wieder große Rekonstruktionen und Umbauten, es soll ein Dorfkulturzentrum entstehen. Auch die Gemeindebücherei zieht ein und 1987 wird ein neuer Sanitärtrakt angebaut.

Im Jahre 1990 wird ein kleiner Konsum Mini Shop durch Hans-Joachim Teich in den leerstehenden Räumen eingerichtet, der sich später FRIMA-Markt nennt und schließlich ca. 1999 schließt.

Um 1998-ca.2002 werden 2 Räume des ehemaligen Gemeindeamtes als Arztsprechzimmer von Dr. J. Flieger genutzt.

Mit der Eingemeindung von Seeligstadt 1994 nach Großharthau werden auch die Gemeinderäume nach und nach beräumt bis ca.1998.
Ab 1994 wird der Saalraum und die anderen Räume des Erbgerichts im 1. Stock durch den Kulturverein genutzt. Die leerstehenden Räume des ehemaligen Gemeindeamtes und die Arztsprechzimmer, später auch die Räume des Minishops werden ab 2005 von dem gegründeten Natur- und Heimatverein genutzt. Dieser Verein setzt sich auch für die Rekonstruktion der alten Schelltanksäule, der Gestaltung des Vorplatzes 2007 und vor allem für das Kändlermemorial 2009 am Erbgerichtsscheunengiebel ein. Ebenso für die Gestaltung des Giebelvorplatzes mit Rekonstruktion einer Dorfpumpe. 2011 werden neue Fenster und Türen eingesetzt und die Gebäudeflächen neu verputzt und gestrichen.

Text: H.P. Bruneker

Das Erbgericht von Seeligstadt in der heutigen Zeit

Bild: Seeligstadt Erbgericht 2017
Seeligstadt Erbgericht 2017
Bild: Seeligstadt Erbgericht 2017
Seeligstadt Erbgericht 2017
Bild: Seeligstadt Erbgericht 2017
Seeligstadt Erbgericht 2017

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